…ist ein Wort, das ich absichtlich nicht übersetze, eben
weil es eine gewisse Fremdheit ausdrückt. Laut Lexikon ist ein Tourist „jemand,
der als Urlauber ein Land besucht“.
Zuweilen habe ich den Eindruck, dass das Wort auch ein
Schimpfwort ist. Es beinhaltet den stillen Vorwurf, nichts als ein
oberflächlicher Beobachter, oder schlimmer, ein Ignorant, dem allein der eigene
Spaß wichtig ist, zu sein. Tourismus hat immer zwei Seiten. Er kann einem Ort
zu Reichtum und Berühmtheit verhelfen, er kann ihn jedoch auch zerstören und so
verändern, dass er nichts mehr mit dem Land in dem er liegt, zu tun hat.
Ich habe vor einiger Zeit einen Ort namens Mahabalipuram
kennengelernt. Er ist sehr pittoresk an der Ostküste Südindiens gelegen und
besitzt einen kilometerlangen Traumstrand. Läuft man durch die Straßen des
Ortskerns, begegnet man einer Menge weißer Europäer, manche in Shorts und Top,
andere in einer Art gespensterartigem Gewand, das leicht an Indien erinnert (in
dem ich aber noch nie einen Inder habe herumlaufen sehen). Zu beiden
Straßenseiten findet man die entsprechenden Läden, in denen ein solches Gewand,
oder wahlweise auch Steinelefanten oder Sonnenhüte, zu haben sind. Ich frage
mich, wie viele dieser Menschen nach ihrem Aufenthalt der Meinung sind, Indien
gesehen zu haben. Oder, wie viele der Besucher, enttäuscht von den
Touristenmassen, weiterziehen um einen anderen, „originalen“ Platz zu finden. Denn
danach scheint der westliche Tourist
häufig zu suchen: „dem wirklichen Indien“. Auch ich habe gehofft, mit
meinem Aufenthalt hier dieses Ziel zu erreichen und muss nun zugeben, dass ich
damit genauso scheitern werde, wie der europäische Durchschnittsurlauber, eben
weil es unmöglich zu bestimmen ist, was „indisch“ ist und was nicht. Ich sage
das als Deutsche, die sich nicht sicher ist, „das wirkliche Deutschland“ zu
kennen.
Ich möchte hier von einem anderen Ort erzählen, dem in den
Nilgiri Mountains gelegenen Ooty. Anders als in Mahabalipuram tummeln sich hier
vor allem indische Touristen. Die „Suche nach dem Original“ scheint ihnen fremd
zu sein. Stattdessen werden an den wichtigen Sehenswürdigkeiten Selfies mit der
ganzen Familie gemacht, die stolz ihre am Touristenstand am Straßenrand
gekauften Wollmützen präsentiert. Danach kauft man sich eventuell noch Popcorn
oder Zuckerwatte und fährt zum nächsten Punkt für das nächste Selfie (gerne
auch mit einem Europäer, wenn man einen trifft). Indische wie westliche
Touristen verändern die Ziele, die sie frequentieren, weshalb man sie gerne mit
gemischten Gefühlen betrachtet.
Meiner Ansicht nach gibt es jedoch eine Eigenschaft, die oft
als touristisch gilt, die aber im Alltag nicht verloren gehen sollte: Die
stetige Neugier auf bisher Unbekanntes, die dazu führt, dass man mit offenen
Augen durch die Welt läuft. So sehr man manchmal über die Touristen schimpft,
so viel kann man von ihnen lernen.