Alles, was wir sind, ist das Ergebnis dessen, was wir dachten
Buddha

Freitag, 9. Dezember 2016

Amma

Jayalalithaa Jayaraman war eine tamilische Politikerin und Schauspielerin. Sie hatte in ihrem Leben insgesamt 6 mal das Amt des Chief Ministers of Tamil Nadu inne. In der Nacht des 5.Dezember verstarb sie im Apollo Krankenhaus in Chennai nach einem Herzinfarkt.
Dies ist ein persönlicher Nachruf auf eine Politikerin, die es vermochte, mein erstes Jahr in Indien und insbesondere meinen Eindruck von Tamil Nadu stark zu prägen.
Ich kannte ihren Spitznamen „Amma“ (Mutter) bevor mir ihr eigentlicher Name zu Ohren kam. Zum ersten Mal sah ich sie auf einem Wandgemälde am Ortsausgang Thiruvallurs. Es war ein typisches Portrait, mit dunkelgrünem Sari, weißer Haut und einem charakteristischen Lächeln im Gesicht. Dasselbe Portrait zierte mehrere Haushaltsgegenstände meiner Gastfamilie, sowie Wasserflaschen an Busstationen und Restaurants. Amma war nicht bloß Politikerin, sie war eine Marke. Sie schaffte es auf geschickte Weise, überall im Alltag Tamil Nadus präsent zu sein. Ihr Portrait stand für eine Nähe zu den armen Bevölkerungsschichten, da die Gegenstände die es zierte, billiger zu haben waren als üblich. Bei den reicheren Leuten jedoch bedeuteten ebenjene Fernseher, Reismühlen und Waschmaschinen schlechte Qualität und wer sich besseres leisten konnte, sammelte alles, das Jayalalithaas Konterfei trug in der Abstellkammer.
Ebenso berühmt wie Ammas Portrait ist das eines Mannes mit Sonnenbrille und Fellhut. Die Beziehung zwischen Jayalalithaa und M.G. Ramachandran, kurz MGR , ist legendär. Die beiden lernten sich an den Sets der tamilischen Filmindustrie kennen und sind in insgesamt 28 Filmen zusammen zu sehen. Es war der 35 Jahre ältere MGR, der sie schließlich zu ihrer politischen Karriere brachte. Nach seinem Tod trat Jayalalithaa mit einigen Schwierigkeiten in seine Fußstapfen als Parteichefin der AIADMK. Sie wurde am 6. Dezember neben ihrem ehemaligen politischen Mentor beigesetzt.
Die indischen Zeitungen veröffentlichten detaillierte Artikel über das Leben und politische sowie schauspielerische Wirken Ammas. Mir war ein Großteil jener Ausführungen fremd, hatte ich doch nur das letzte Jahr ihrer politischen Karriere miterlebt. In meiner Zeit in Tamil Nadu hatte ich Jayalalithaa als eine populistische Ministerin erlebt, die es vermochte, äußerst geschickte Propaganda zu betreiben. Auf der anderen Seite blieb sie für mich ein Mysterium: Wie lebte sie alleine ohne Familie in ihrer Residenz? Was empfand sie für den verstorbenen MGR? Mein Eindruck von ihr war neben dem Bild der nicht immer legal handelnden und stark selbst-inszenierenden Politikerin auch immer geprägt von der Vorstellung eines einsamen Menschen.

Wie sehr meine Gedanken auf die Person zutreffen, ist fraglich. Dennoch war es mir ein Bedürfnis diesen Blog  Artikel zu schreiben. Obwohl ich als Ausländer in ihren Staat kam und dort nur etwa 11 Monate blieb, war sie für mich untrennbar mit dieser Zeit verbunden. Mit ihr stirbt ein Teil von Tamil Nadu.