Alles, was wir sind, ist das Ergebnis dessen, was wir dachten
Buddha

Dienstag, 27. Oktober 2015

katai puttakam


…ist das tamilische Wort für Bilderbuch. In diesem  Beitrag soll es um Indien wie aus dem Bilderbuch gehen, das ich für etwa zwei Stunden in der Stadt Mysore erleben konnte. Hier feiert man das Ende des zehntägigen hinduistischen Festivals Navarathri auf besondere Weise. Es findet eine Parade statt, beginnend am alten Palast des Maharajas und weiter durch die Hauptstraßen an deren Rändern die Menschen dicht gedrängt in allen möglichen und unmöglichen Positionen stehen um zuzusehen.  Ihr Ablauf erinnert an ein besonders kitschiges Märchen, weshalb ich ihn in genau dieser Form beschreiben will.

Es war einmal  vor hunderten von Jahren ein König, der beschlossen hatte, am letzten Tag des Navarathri-Festes eine große Versammlung in seinem Palast abzuhalten zu der auch das Volk Zugang haben sollte. Sie sollte zu Ehren der Göttin Durga stattfinden, die den Dämonen Mahishasur besiegt hatte. Im Laufe der Jahre wandelte sich  die Tradition hin zu einer Parade, die jährlich für die Bewohner Mysores organisiert wird, jedoch nichts von dem königlichen Glanz der alten Tage entbehrt.

Sämtliche Musik- und Tanzgruppen der Stadt geben in diesen zwei Stunden in ihren aufwendigsten Kostümen ihr Bestes,  sie verkörpern von edlen Prinzen bis hin zu wilden Dämonen und Tigern alles nur Erdenkliche. Ihnen folgen kunstvoll gestaltete Wagen verschiedener Themenbereiche. Polizei, Sanitäter, Tempel , Schulen und Politik lassen ihrer Kreativität in der Gestaltung dieser Fahrzeuge freien Lauf. Im Vorbeifahren werden auf ihnen Verbrecher verhaftet, Kinder unterrichtet und mit Gandhi für Indiens Unabhängigkeit demonstriert.

Zu Ende der Parade kommt es schließlich zum Höhepunkt, dem Auftritt lokaler Berühmtheiten der besonderen Art: über zehn bunt geschmückte Elefanten, der Bevölkerung mit Namen bekannt, sind Teil des Umzuges. Einem von ihnen, dem Bullen Abu, kommt die ehrenvolle Aufgabe zu, die Göttin Kali in einer Sänfte aus purem Gold durch Mysores Straßen zu tragen. Prinz und Prinzessin reiten auf dem Pferd voraus.

Wenig später kehrt die Stadt wieder zur Realität zurück. Das royale Paar setzt seinen Rechtsstreit über den Besitz des Palastes fort und die Elefanten kehren zurück zu ihren Käfigen und den Trainingsmethoden ihrer Mahouts. Die Tänzer und Musiker beginnen erneut mit der Vorbereitung eines Auftritts – damit Mysore auch nächstes Jahr für kurze Zeit in märchenhafter Pracht erstrahlen kann.

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Kuppai


…ist das tamilische Wort für Müll. Dass Indien mit diesem ein Problem hat, ist allseits bekannt. Mich jedoch haben die Berge aus Abfall, vor allem der, der sich unter unserem Fenster türmt, vor ein paar Tagen in besondere Verlegenheit gebracht.

Der Termin der UN-Klimakonferenz in Paris rückt näher, ein Treffen, in das große Hoffnung gesetzt wird, die Welt zu einem bindenden Abkommen über Klimaschutz zu bringen. Indien kommt dabei die traurige Rolle des weltweit viertgrößten Klimasünders zu. Chennais brennende Müllberge tragen ihren Teil dazu bei.

Anlässlich der kommenden Konferenz starteten wir im Projekt die Aktion „Green Ribbon“ um das Bewusstsein indischer College-Studenten für Umweltschutz zu stärken. Unter dem Motto „One Ribbon. One Promise not to litter.” soll das Versprechen gegeben werden, Abfall stets in den richtigen Mülleimer zu entsorgen. Im Gegenzug wird die grüne Umweltschleife, ähnlich ihrem roten Kollegen für HIV, verteilt.

Zum Verhängnis wurde uns, wie so häufig, der berühmt-berüchtigte Unterschied zwischen Theorie und Praxis. In Thiruvallur existieren weder Müllabfuhr noch Recyclingbetriebe. Fällt bei meiner Gastfamilie Abfall an, wird er vom Dach geworfen und trägt zu dem bereits erwähnten Müllberg unter meinem Fenster bei. Hat dieser eine gewisse Größe erreicht, wird er angezündet um daraufhin erneut wachsen zu können.

Als ich schließlich mit meiner grünen Schleife nach Hause kam, bemerkte ich eine volle Tüte Abfall, die dringend entsorgt, in anderen Worten: dringend vom Dach geworfen gehörte. Aufgrund unserer Aktion früher am Tag meldete sich mein schlechtes Gewissen an diesmal besonders stark, als ich mein Vorhaben überdachte. Schließlich zog ich die grüne Schleife aus und warf die Tüte dann hinunter auf den Müllberg. Als ob das irgendetwas besser machen würde.