…ist das tamilische Wort für Bilderbuch. In diesem Beitrag soll es um Indien wie aus dem
Bilderbuch gehen, das ich für etwa zwei Stunden in der Stadt Mysore erleben
konnte. Hier feiert man das Ende des zehntägigen hinduistischen Festivals
Navarathri auf besondere Weise. Es findet eine Parade statt, beginnend am alten
Palast des Maharajas und weiter durch die Hauptstraßen an deren Rändern die
Menschen dicht gedrängt in allen möglichen und unmöglichen Positionen stehen um
zuzusehen. Ihr Ablauf erinnert an ein
besonders kitschiges Märchen, weshalb ich ihn in genau dieser Form beschreiben
will.
Es war einmal vor
hunderten von Jahren ein König, der beschlossen hatte, am letzten Tag des
Navarathri-Festes eine große Versammlung in seinem Palast abzuhalten zu der
auch das Volk Zugang haben sollte. Sie sollte zu Ehren der Göttin Durga stattfinden,
die den Dämonen Mahishasur besiegt hatte. Im Laufe der Jahre wandelte sich die Tradition hin zu einer Parade, die
jährlich für die Bewohner Mysores organisiert wird, jedoch nichts von dem
königlichen Glanz der alten Tage entbehrt.
Sämtliche Musik- und Tanzgruppen der Stadt geben in diesen
zwei Stunden in ihren aufwendigsten Kostümen ihr Bestes, sie verkörpern von edlen Prinzen bis hin zu
wilden Dämonen und Tigern alles nur Erdenkliche. Ihnen folgen kunstvoll
gestaltete Wagen verschiedener Themenbereiche. Polizei, Sanitäter, Tempel ,
Schulen und Politik lassen ihrer Kreativität in der Gestaltung dieser Fahrzeuge
freien Lauf. Im Vorbeifahren werden auf ihnen Verbrecher verhaftet, Kinder
unterrichtet und mit Gandhi für Indiens Unabhängigkeit demonstriert.
Zu Ende der Parade kommt es schließlich zum Höhepunkt, dem
Auftritt lokaler Berühmtheiten der besonderen Art: über zehn bunt geschmückte
Elefanten, der Bevölkerung mit Namen bekannt, sind Teil des Umzuges. Einem von
ihnen, dem Bullen Abu, kommt die ehrenvolle Aufgabe zu, die Göttin Kali in
einer Sänfte aus purem Gold durch Mysores Straßen zu tragen. Prinz und
Prinzessin reiten auf dem Pferd voraus.
Wenig später kehrt die Stadt wieder zur Realität zurück. Das
royale Paar setzt seinen Rechtsstreit über den Besitz des Palastes fort und die
Elefanten kehren zurück zu ihren Käfigen und den Trainingsmethoden ihrer
Mahouts. Die Tänzer und Musiker beginnen erneut mit der Vorbereitung eines
Auftritts – damit Mysore auch nächstes Jahr für kurze Zeit in märchenhafter
Pracht erstrahlen kann.