Alles, was wir sind, ist das Ergebnis dessen, was wir dachten
Buddha

Dienstag, 12. April 2016

Maruttuvar


…ist das tamilische Wort für Arzt. Einen solchen habe ich in der letzen Woche des Öfteren aufgesucht und dabei ein paar interessante Erfahrungen gemacht. Grund genug, einen detaillierteren Blick auf die Orte und Menschen zu werfen, die Chennais Gesundheit aufrechterhalten.

 Es begann an einem späten Dienstagabend, als zuerst mein Sprachvermögen und schließlich auch meine Fähigkeit, klar zu denken aussetzten, gepaart mit starkem Kopfschmerz und einem seltsamen Gefühl in meinem rechten Arm. Als ich beschloss, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, hatte in Thiruvallur ein kleines Krankenhaus Bereitschaft, dessen Existenz ich bisher schlichtweg übersehen hatte. Wie ich aus den Jesusbildern an den Wänden der drei türkis gefliesten Räume, aus denen es bestand, schloss, wurde es von einer christlichen Mission geführt. Der dortige Arzt, verärgert, dass man ihn um diese Uhrzeit störte, grübelte über meinen Symptomen, meinte, sie erinnerten ihn an einen Schlaganfall,  für den ich jedoch eigentlich zu jung sei und empfahl, in Chennai einen Neurologen zu konsultieren.

Das Krankenhaus, in dem ich dies drei Tage später tat, hätte zu meiner ersten Erfahrung nicht stärker in Kontrast stehen können. Es trug den angeberischen Namen „Apollo Hospital on Greams Road“, befand sich in einer der Topstraßen Chennais und in seinen Korridoren traf man die Oberschicht Indiens, Bangladeschs und Westafrikas. In den modern gestalteten Warteräumen wurden ehemalige Diplomaten in Rollstühlen umhergeschoben, während ihre Familien mit teurem Make up und Designerhandtaschen wachsam folgten.  Der Mann, mit dem ich mich schließlich unterhielt, trug den Titel „Prof. Dr. Senior Consultant Neurologist Honorary Neuro Physician to Former the President of India“ und hatte seinerzeit den ehemaligen indischen Präsidenten Abdul Kalam behandelt. Er diagnostizierte einen Anfall von Migräne und riet mir zur Kontrolle zu einem MRT Scan.

Nachdem man mir den Preis eines solchen Scans im Apollo Hospital genannt hatte, den ich hätte vorlegen müssen, beschloss ich, einen preisgünstigeren Ort zu finden. Der ehrenwerte Neurologe empfahl das Zentrum einer Wohltätigkeitsorganisation, gesponsert vom Lions Club Anna Nagar Charitable Trust. Ich betrat ein unscheinbares Gebäude, vor dem eine Gruppe Senioren Schlange stand. Nach einer kurzen Nachfrage, ob sich an meinem Körper Metall befinde, streifte man mir ein altes Nachthemd über und schob mich in ein sehr modernes MRT, das so gar nicht in seine Umgebung zu passen schien. 40 Minuten später verließ ich das Zentrum mit den Bildern meines Gehirns in einer Plastiktüte, die Diagnose: normal.

Ich habe in den vergangen acht Monaten an den Schulen der Vororte Chennais zahllose Unterrichtseinheiten zu verschiedenen Krankheiten gegeben. Fast genauso oft habe ich den Schülern bei Auftreten bestimmter Symptome zu einem Arztbesuch geraten. Was dies jedoch tatsächlich bedeutet; welche Vielzahl von Erfahrungen sich hinter diesem simplen Rat verbirgt, wurde mir erst letzte Woche ganzheitlich bewusst.