Alles, was wir sind, ist das Ergebnis dessen, was wir dachten
Buddha

Donnerstag, 22. September 2016

English

… ist zusammen mit Hindi offizielle Landessprache Indiens. Sie enthält eine Essenz des Landes, von kolonialen Überbleibseln über sozialen Status bis zu der Frage nach indischer Identität.
Ich traue mich kaum, diesen Artikel zu beginnen, so subtil, so vielschichtig ist das Thema und so leicht ist es, einen Fehler zu begehen. Der Auslöser aller Phänomene jedoch scheint zu sein, dass Indien als Volk mit einer über 3000 Jahre alten Kultur eine fremde Sprache spricht, gebracht von einem ausländischen Unterdrücker. Man sagt, dass der Ursprung des Studiums Britischer Literatur in Indien liegt, geboren aus dem Streben nach sozialem Status. Ansehen in der Gesellschaft ist heute mit der englischen Sprache mehr verknüpft denn je. Indiens wirtschaftlicher Aufschwung geschah auf Englisch und nur wer die Sprache beherrscht, hat eine Chance auf ein hochwertiges Studium und einen gut bezahlten Job.
Englisch in Indien scheint jedoch oft eine Frage des Akzents. „Indisches Englisch“ existiert nicht. Stattdessen findet man so viele Akzente wie Sprachen, jeweils begleitet von Klischees und Witzen. Aussprache ist ein zweischneidiges Schwert. Während die einen stolz sind auf den regionalen Touch, versuchen andere ihn so gut wie möglich zu verbergen. Britisches oder Amerikanisches Englisch ist das Ideal, „International English“ oder gar „Indian Accent“ verpönt. Auf das Streben nach perfekter Aussprache wurde ich durch einen Professor der Christ University aufmerksam, der sich stets bemühte, nicht indisch zu klingen. Dieser Professor unterrichtet ein Fach namens Additional English, das sich mit englischsprachiger indischer Literatur befasst und damit die Beziehung der Inder  zu der Sprache stets beinhaltet.
Ein Beispiel ist das Gedicht „Goodbye Party for Miss Pushpa TS“ des Dichters Nissim Ezekiel. Es beschreibt eine in nordindischem Akzent gehaltene Rede anlässlich einer Abschiedsfeier und enthält sämtliche charakteristische grammatikalische Phänomene, wie die vermehrte Nutzung der Wörter „only“ und „also“, außergewöhnlich häufig auftretendes present progressive und das Fehlen von Artikeln und Präpositionen. Das Werk kann in verschiedenen Akzenten vorgelesen werden, ohne je seine Wirkung zu verlieren. Hauptaussage ist jedoch die Peinlichkeit und Verunsicherung des Redners, der Englisch benutzt um modern zu erscheinen ohne die Sprache jedoch gut zu beherrschen.
Hier wird ein Konflikt deutlich, der tief sitzt in der indischen Bevölkerung. Es ist ein Konflikt zwischen Tradition und Moderne, der in Frage stellt, was „indisch“ ist und was nicht. Indien ist stolz auf seine Jahrtausende alte einzigartige Kultur und versucht diese in der Welt zu repräsentieren. Auf der anderen Seite ist es abhängig von der amerikanischen IT Branche und nur wer westlich lebt, gilt als hip. Die besten Jobs sind im Ausland zu haben und wer kann geht – vorausgesetzt, er oder sie beherrscht fehlerfreies Englisch. Englisch ist die Sprache des Westens und des Kapitalismus, gesprochen von einem Volk, das alldem eher kritisch und konservativ  gegenübersteht und sich noch gut der Zeiten des Sozialismus erinnert, in denen Indien weitgehend abgeschottet vom Weltmarkt ohne aus den Emiraten, Singapur und den USA importierten Waren auskam. Englisch wurde im späten 19. Jahrhundert  vom Indischen Nationalkongress als Sprache einer neuen vereinten Nation eingeführt und kennt dennoch keinen einzigen Ausdruck  für  Elemente indischer Tradition.  Die Sprache ist repräsentativ für ein Stück nationaler Geschichte, das bis heute andauert und sie war von ihrer Einführung bis zur Gegenwart nie frei von inneren Konflikten.


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