…ist das tamilische Wort für
Blut. Ich möchte diesen Beitrag mit einer kurzen Geschichte eröffnen. Vor ein
paar Monaten bereitete sich mein Gastvater auf eine Pilgerfahrt nach Kerala
vor, das Ziel ein Tempel, zu dem nur Männer Zutritt haben. In den elf Tagen vor
Aufbruch mussten im Haus besondere Regeln der Reinheit eingehalten werden. An
einem Sonntagabend während dieser Zeit kehrte ich müde und erschöpft von einer
Reise zurück. Meine Gastschwester empfing mich an der Tür. „Hast du deine
Periode?“, war die erste Frage, die sie mir stellte. Etwas überrascht
antwortete ich mit einem wahrheitsgemäßen „Ja“, worauf sie mir eröffnete, dass
ich die nächsten drei Tage die Wohnung nicht zu betreten habe. Ich ließ
durchblicken, dass mich diese Aussicht, auch in Anbetracht der späten Uhrzeit,
nicht sonderlich begeisterte, sodass sich meine Gastschwester schließlich ein
Herz fasste und mir gestattete, falls die ersten drei Tage bereits
vorüber seien, in meinem Zimmer zu übernachten.
Menstruation ist in Indien eines
der sensibelsten Themen, die in der Gesellschaft existieren. Seine volle
Tragweite wird mir erst bewusst, nachdem mich mein Projekt gebeten hatte, ein
Aufklärungsprogramm darüber zu erstellen. Während selbst meine relativ moderne
Familie bereit war, mich ungeachtet aller Sicherheitsrisiken drei Tage lang
nicht in die Wohnung zu lassen, sieht die Situation auf dem Land noch einmal anders aus.
Manche Dörfer besitzen spezielle Hütten außerhalb der Grenzen, in die sich
menstruierende Frauen während ihrer Periode zurückziehen, oft alleine und ohne
Küche oder Toilette. Sie verlassen sich auf die übrigen Frauen der Familie, um
etwas zu essen zu bekommen. Selbst in modernen Familien in der Stadt dürfen
Tempel, Küche oder Gebetsraum nicht betreten werden. Während der Pongal Feierlichkeiten
konnten zwei meiner Gastschwestern nicht am Gebet teilnehmen, weil sie ihre
Periode hatten.
Dazu kommt die geringe
Verfügbarkeit von Hygieneartikeln auf dem Land. Damenbinden sind
verhältnismäßig teuer und für viele Dorfbewohner unerschwinglich. Man behilft
sich mit Papier, Blättern und Sand. Die Bildung vieler Mädchen endet mit
Einsetzen ihrer Periode, da die Schule während dieser Zeit nicht besucht werden
kann. Die verpassten Unterrichtsinhalte aufzuholen, ist für viele nicht
möglich.
Vor nicht allzu langer Zeit,
besuchten wir eine Familie, deren dreizehnjährige Tochter uns stolz die Bilder
ihrer Puberty Function zeigte. Es handelt sich um ein traditionelles Fest in
Tamil Nadu, das die erste Periode eines Mädchens feiert. Bevor die indische
Regierung Hochzeiten unter achtzehn für illegal erklärte, gab man damit
bekannt, dass eine Tochter nun im heiratsfähigen Alter sei. Während des Festes
erscheint das Mädchen in den Kostümen verschiedener Götter, sowie in ein paar
zusätzlicher seiner Wahl. Japanische Geishas und viktorianische Prinzessinnen
sind nicht unüblich. Während besagte Feier auf dem Land selbstverständlich
durchgeführt wird, ist sie in den Internetforen der Städter umstritten.
„What should I tell them? Welcome to celebrate
the stain on my undergarment?“ twitterte eine Inderin sarkastisch.
In
besagten Foren starteten indische Feministinnen vor ein paar Monaten
eine Kampagne, die es bis auf die Straßen Mumbais, Delhis und Bangalores
schaffte. Unter dem Hashtag „We bleed. Let´s face it.“ demonstrierten Frauen
gegen alte Traditionen und für einen offenen Umgang mit dem Thema. Recht haben
sie.
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