… ist ein Wort, dessen tamilische Entsprechung so selten verwendet
wird, dass jeder, Professor wie Bettler, seine englische Bedeutung kennt. Der
Grund hierfür erschließt sich bei einem Blick auf Chennais Straßen.
Ein lauter Knall, gefolgt von einem kollektiven Ausruf
„Oyoyoo!“ machte mich vor nicht allzu langer Zeit auf zwei Motorradfahrer im
Stadtteil Maduravoyal aufmerksam. Als
ich mich umdrehte um zu sehen, was den Lärm verursacht hatte, richteten sie
sich gerade wieder auf und begutachteten die Schäden, sowohl an ihren
Fahrzeugen, als auch an ihnen selbst. Nachdem festgestellt wurde, dass nicht
viel passiert war, zerstreute sich die Menschentraube, die sich um das
Geschehen gebildet hatte wieder.
Auf Indiens Straßen sterben täglich 377 Menschen an den
Folgen eines Verkehrsunfalls1, eine Zahl, die dem täglichen Absturz
einer Boeing 747 in durchschnittlicher Besetzung entspricht. Die Liste der
Städte mit den meisten tödlichen Verkehrsunfällen wird angeführt von Neu Delhi,
dicht gefolgt von Chennai auf Platz zwei2. Während anzunehmen ist,
dass ein täglicher Flugzeugabsturz dieses Formats einen erheblichen Einbruch
des Luftverkehrs verursachen würde, kann man dies vom Straßenverkehr nicht
behaupten. Selbst in Thiruvallur bewegt man sich während der Rush Hour
höchstens in Schrittgeschwindigkeit fort.
Die Gründe dafür sind vielseitig, viel spricht jedoch aus
meiner Sicht für eine mangelnde Fahrausbildung der meisten Verkehrsteilnehmer.
Wer in Thiruvallur eine Fahrerlaubnis erhalten möchte, übt auf einer wenig
befahrenen Straße und beweist anschließend vor den Augen eines Prüfers seine
Fähigkeit, sein Fahrzeug zu bedienen. Dies besteht meist in der Aufgabe, auf
einem Prüfungsgelände geradeaus zu fahren und abzubiegen. Überhaupt, wozu
benötigt man einen Führerschein, wenn diesen in Thiruvallur niemals jemand zu
kontrollieren verlangt? Immerhin kostet eine Fahrprüfung auch in Indien Geld.
Potenziell tödlich ist Chennais Verkehr jedoch nicht nur
durch seine Unfallgefahr. Nicht umsonst binden sich viele Verkehrsteilnehmer
vor Verlassen des Hauses ein Tuch vor Mund und Nase. Wer den ausgestoßenen
Gasen und Rußpartikeln zu lange ausgesetzt ist, wird bei Ankunft am Ziel mit
einer schwarzen Schicht überzogen sein. Die Situation im Inneren der Lunge
liegt jenseits jeder Vorstellung.
An Lösungsansätzen mangelt es Chennai nicht. Die Stadt setzt
große Hoffnungen in die sich im Bau befindliche Metro, die nach ihrer
Fertigstellung die Straßen entlasten soll. Ein Prestigeobjekt, gemacht für den
Teil der Gesellschaft, der zurzeit noch in seinen Marutis, VWs und Fords über
die verstopften Straßen flucht, sprich: die obere Mittelschicht. Der Erfolg des
Projekts bleibt abzuwarten; klar ist jedoch: Thiruvallurs täglicher Stau,
bestehend aus Motorrädern, Autorickshaws und Bussen wird noch eine Weile
bestehen bleiben. Also begeben wir uns weiterhin täglich in die Höhle des
Löwen, sei es um die Straße vor unserem Haus zu überqueren. Und irgendwie haben wir
letztendlich doch immer überlebt.
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