Alles, was wir sind, ist das Ergebnis dessen, was wir dachten
Buddha

Donnerstag, 3. März 2016

Traffic


… ist ein Wort, dessen tamilische Entsprechung so selten verwendet wird, dass jeder, Professor wie Bettler, seine englische Bedeutung kennt. Der Grund hierfür erschließt sich bei einem Blick auf Chennais Straßen.
Ein lauter Knall, gefolgt von einem kollektiven Ausruf „Oyoyoo!“ machte mich vor nicht allzu langer Zeit auf zwei Motorradfahrer im Stadtteil Maduravoyal  aufmerksam. Als ich mich umdrehte um zu sehen, was den Lärm verursacht hatte, richteten sie sich gerade wieder auf und begutachteten die Schäden, sowohl an ihren Fahrzeugen, als auch an ihnen selbst. Nachdem festgestellt wurde, dass nicht viel passiert war, zerstreute sich die Menschentraube, die sich um das Geschehen gebildet hatte wieder.
Auf Indiens Straßen sterben täglich 377 Menschen an den Folgen eines Verkehrsunfalls1, eine Zahl, die dem täglichen Absturz einer Boeing 747 in durchschnittlicher Besetzung entspricht. Die Liste der Städte mit den meisten tödlichen Verkehrsunfällen wird angeführt von Neu Delhi, dicht gefolgt von Chennai auf Platz zwei2. Während anzunehmen ist, dass ein täglicher Flugzeugabsturz dieses Formats einen erheblichen Einbruch des Luftverkehrs verursachen würde, kann man dies vom Straßenverkehr nicht behaupten. Selbst in Thiruvallur bewegt man sich während der Rush Hour höchstens in Schrittgeschwindigkeit fort.
Die Gründe dafür sind vielseitig, viel spricht jedoch aus meiner Sicht für eine mangelnde Fahrausbildung der meisten Verkehrsteilnehmer. Wer in Thiruvallur eine Fahrerlaubnis erhalten möchte, übt auf einer wenig befahrenen Straße und beweist anschließend vor den Augen eines Prüfers seine Fähigkeit, sein Fahrzeug zu bedienen. Dies besteht meist in der Aufgabe, auf einem Prüfungsgelände geradeaus zu fahren und abzubiegen. Überhaupt, wozu benötigt man einen Führerschein, wenn diesen in Thiruvallur niemals jemand zu kontrollieren verlangt? Immerhin kostet eine Fahrprüfung auch in Indien Geld.
Potenziell tödlich ist Chennais Verkehr jedoch nicht nur durch seine Unfallgefahr. Nicht umsonst binden sich viele Verkehrsteilnehmer vor Verlassen des Hauses ein Tuch vor Mund und Nase. Wer den ausgestoßenen Gasen und Rußpartikeln zu lange ausgesetzt ist, wird bei Ankunft am Ziel mit einer schwarzen Schicht überzogen sein. Die Situation im Inneren der Lunge liegt jenseits jeder Vorstellung.
An Lösungsansätzen mangelt es Chennai nicht. Die Stadt setzt große Hoffnungen in die sich im Bau befindliche Metro, die nach ihrer Fertigstellung die Straßen entlasten soll. Ein Prestigeobjekt, gemacht für den Teil der Gesellschaft, der zurzeit noch in seinen Marutis, VWs und Fords über die verstopften Straßen flucht, sprich: die obere Mittelschicht. Der Erfolg des Projekts bleibt abzuwarten; klar ist jedoch: Thiruvallurs täglicher Stau, bestehend aus Motorrädern, Autorickshaws und Bussen wird noch eine Weile bestehen bleiben. Also begeben wir uns weiterhin täglich in die Höhle des Löwen, sei es um die Straße vor unserem Haus  zu überqueren. Und irgendwie haben wir letztendlich doch immer überlebt.
 
 

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