Am 24.5. gab die indische
Wahlkommission das Ergebnis der Wahl zum indischen Unterhaus, der Lok Sabha, bekannt.
Premierminister Narendra Modi’s Partei Bharatiya Janata Party (BJP) gewann 292
von 543 Sitzen und ist damit in der Lage ohne Koalition regieren zu können. Grund
genug, um Indiens politisches System einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Indien hat die
zweitlängste Verfassung der Welt, übertroffen nur vom Staate Alabama. Während
das deutsche Grundgesetz gut in der Hosentasche bei sich zu tragen ist, sieht
man sich in Indien mit einem drei Kilo schweren Wälzer konfrontiert. Der
vielleicht wichtigste Teil der indischen Verfassung ist die Präambel. Sie
besagt das Indien ein unabhängiger, demokratisch-sozialistischer und säkularer
Staat ist. Hervorzuheben im aktuellen Kontext ist hier das Wort säkular, das in
Indien bedeutet, dass keine Religion vom Staat gegenüber einer anderen
bevorzugt werden darf. Die Präambel kann zwar vom Parlament geändert werden,
jedoch nur solange die Grundideen der Verfassung bestehen bleiben. Es wäre
damit illegal, ein Gesetz zum Vorteil der Hindumehrheit durchzusetzen, sei es
der Entzug des Wahlrechts für Muslime oder ein Verbot des Verzehrs von
Rindfleisch.
Indien ist ein
Föderaler Staat mit einem zweikammrigem Parlament auf Staatsebene: Das Oberhaus
Rajya Sabha als Vetretung der Bundesstaaten und das direkt gewählte Unterhaus Lok
Sabha, das vergleichsweise mehr Macht besitzt. Der Spitzenkandidat der stärksten
Fraktion in der Lok Sabha wird in der Regel zum Premierminister gewählt.
Während das eigentliche Staatsoberhaupt Indiens der Präsident, momentan ein
Herr des Namens Ram Nath Kovind, ist, übt der Premierminister alle
tatsächlichen Regierungsfunktionen aus. Die Wahl zur Lok Sabha ist daher
entscheidend für das politische Klima des Landes in den kommenden fünf Jahren.
Aufgrund der seiner
hohen Bevölkerungszahl (ca. 900 mio Wahlberechtigte) und teilweise schwer erreichbaren Gebiete ist
es Indien logistisch gesehen nicht möglich eine Parlamentswahl an einem Tag
durchzuführen. Die jetzige Wahl begann am 11. April als die erste von insgesamt
sieben Gruppen von Wahlkreisen abstimmte. Die letzte Phase gab am 19. Mai ihre
Stimme ab. Gewählt wird nicht in Form eines Stimmzettels sondern mittels einer
elektronischen Wahlmaschine (EVM). Diese enthält eine Liste der Kandidaten und ihren jeweiligen Parteisymbolen mit einem
Knopf neben jedem Namen. Es ist daher nicht zwingend erforderlich, Lesen oder
Schreiben zu können um zur Wahl zu gehen. Wer gewählt hat, bekommt eine
Kennzeichnung am rechten Zeigefinger mit nicht abwaschbarer Tinte. Am
Entscheidungstag berechnet die Software der EVMs das Ergebnis und druckt
zusätzlich eine Liste aller abgegebenen Stimmen auf Papier das stichprobenartig
mit dem elektronischen Ergebnis abgeglichen werden muss. Obwohl es bei jeder
Wahl Vorwürfe gibt, dass die Software der EVMs durch Hacker manipuliert werden
könne, ist die indische Wahlmethode international anerkannt.
Die jetzige Wahl hatte
zwei Hauptkandidaten, die als Premierminister in Frage kamen: Rahul Gandhi, Präsident
des Indischen Nationalkongress, und Narendra Modi, Mitglied der BJP. Rahul
Gandhi ist Teil des Gandhi Clans und Urenkel von Indiens erstem Premier
Jawaharlal Nehru. Aufgrund seiner Abstammung, die ihm eine politische Karriere
quasi in die Wiege legte, wird er von der indischen Öffentlichkeit gerne als „Pappu“
(Muttersöhnchen) bezeichnet. Narendra Modi dagegen kommt als Sohn eines Tee Stand
Besitzers aus eher einfachen
Verhältnissen. Während er anfangs in Geschäft seines Vaters mithalf, trat er
bald der rechtsnationalen Organisation RSS (Rashtriya Swayamsevak Sangh) bei
und machte politische Karriere. Aufgrund seines familiären Hintergrunds gab ihm
die indische Öffentlichkeit den Spitznamen Chaiwalla (Teeverkäufer). Darüber
hinaus hatten lokale Parteien wie die Tamilische DMK oder Andhra’s YDP Einfluss
auf die Wahlen da sie als potenzielle starke Koalitionspartner in Frage kämen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen